Fronleichnam

Ein Text im Steirischen Sonntagsblatt im Juni 2023 – am dazugehörigen Foto zentral unsere Bundesschwester Amneris als Chargierte vor der Academenfahne.

Farbenfrohe Paradetracht.

StudentInnenverbindungen bei der Fronleichnamsprozession.
Zur Fronleichnamsprozession in der Grazer Innenstadt nehmen die Abordnungen der studentischen Verbindungen und Vereine teil. Teils ruft das Auftreten dieser fälschlich mit Burschenschaften in Verbindung gebrachten Gläubigen nach wie vor Irritationen hervor. Folgende kurze Einordnung soll hoffentlich Klarheit über diese „bunte Schar“ schaffen:

Mit dem Aufkommen des katholischen Vereinswesens in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts entstanden im Rahmen der deutschen Katholikentage auch die ersten katholischen Studentenverbindungen an deutschen Universitätsstädten. Dieerste österreichische katholische Studentenverbindung entstand 1864 in Innsbruck. Bald darauf – 1888 – gründete sich auch in Graz die erste katholische Studentenverbindung – die immer noch bestehenden KÖHV Carolina im Österreichischen Cartellverband (ÖCV). Die von der Carolina gewählten Farben schwarz-weiß-gold sollten einerseits das seitdem allen Grazer Verbindungen gemeinsame Bekenntnis zu Österreich (damals schwarz-gold) und andererseits zum Katholizismus (weiß-gold als Farben des Vatikans) nach außen betonen.

Die bewusste Abgrenzung zu nationaldeutsch gesinnten Burschenschaften, welche den universitären Betrieb bis zum ersten Weltkrieg dominierten, war und ist ein Kernpunkt der christlichen StudentInnenverbindungen. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts setzte auch an den Grazer Mittelschulen und Universitäten ein ‚Gründungsschub‘ katholischer Verbindungen ein. Mit Winfridia (gegr. 1907) entstand die erste nicht-farbentragende konfessionelle Studentenverbindung, Markomannia-Eppenstein (gegr.1908) war die erste katholische Mittelschülerverbindung. 1996 war es auch für Damen soweit – die Academia war die erste der heute noch immer bestehenden Grazer konfessionellen Studentinnenverbindungen, mittlerweile die größte Studentinnenverbindung Österreichs.

Insgesamt gibt es in Graz zur Zeit neunzehn katholische oder christlich-konfessionelle Verbindungen, davon sind drei Damenverbindungen. Gutes freundschaftliches Verhältnis zwischen diesen 19 Verbindungen besteht seit langer Zeit, weshalb auch die gemeinsame Teilnahme an der Fronleichnamsprozession eine Selbstverständlichkeit ist. Die Teilnahme der StudentInnenverbindungen seit Gründungstagen an den Fronleichnamsprozessionen ist im Übrigen in allen österreichischen und deutschen Universitätsstädten gängige Praxis. Damals wie heute bleiben die Mitglieder der Verbindungen auch nach Studienabschluß bis an ihre Lebensende in einer generationenübergreifenden Gemeinschaft Teil ihrer Verbindungen.

Heute sind die neunzehn katholischen und konfessionellen Grazer Verbindungen mit über 2000 Mitgliedern aktiv: die SchülerInnen und StudentInnen an allen Grazer Universitäten und Fachhochschulen, die Akademiker („Alte Herren“) und Akademikerinnen („Damen“) in mannigfachen Sparten und Bereichen in Graz. Vor allem aber im öffentlichen Leben, in gemeinnützigen Vereinen, in politischen Parteien und nicht zuletzt in den Pfarren sind Mitglieder katholischer Verbindungen gesellschaftlich, zumeist ehrenamtlich, engagiert.

Gemeinsam sind all diesen Verbindungen die vier Prinzipien

  • Religio (Katholizismus/Christentum)
  • Scientia (das Streben nach Wissenschaft)
  • Patria (das Bekenntnis zu einem demokratischen Österreich in einem geeinten Europa)
  • Amicitia (die lebenslange Freundschaft)

Als äußeres Zeichen der Verbundenheit innerhalb der jeweiligen Gemeinschaft tragen die Mitglieder ein Band mit den Verbindungsfarben und die farbige studentische Mütze, „Deckel“ genannt. Fast alle Grazer konfessionellen Verbindungen führen zu ihrer farbenfrohen Paradetracht und ihrer Fahne einen Art Degen mit stumpfer Klinge – als Zeichen der studentischen Freiheit, niemals als Waffe, die gegeneinander eingesetzt wird! Hier zeigt sich auch deutlich eine der größten Differenzen zu den „Schlagenden“, den deutsch-nationalen Burschenschaften, welche das Tragen einer scharfen Klinge als Zeichen der Wehr- und Satisfaktionsfähigkeit betrachten und deren Mitglieder demgemäß auch gegeneinander fechten.

Übrigens: Über Graz hinaus gibt es in der Steiermark an fast allen Gymnasialstandorten katholische Mittelschulverbindungen, sowie an der Montanuniversität Leoben auch zwei konfessionelle Männer- und eine Frauenverbindung. Alle diese Vereinigungen sind gemeinsam mit vielen anderen Organisationen Mitglieder des Diözesankomitees Katholischer Organisationen der Steiermark (DKO).

Text im Juni 2023 von Gregor Diez v/o Hägar, Trn! und Gerhard Leitinger v/o Dr. cer. Raschl, Trn!

Link zur Diözesanwebsite mit dem vollständigen Text.